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Dann steht er auf, stellt sich breitbeinig hin, die Arme mit breiten Händen auf die Tischplatte gegrätscht, stiert in die Luft, sagt: »Hm – Reisiger, ich glaube, Sie hat der liebe Gott verlassen. Sie sind, scheint mir, bereits vollkommen verrückt. Aber Menschenskind, wie können Sie sich denn einbilden, daß Sie je Offizier werden, wenn Sie sagen: ich kann nicht mehr oder ich mag nicht mehr. Das ist Quatsch, sinnloser Quatsch! Und wenns auch Ihr Ernst ist – Reisiger, so etwas kann man nicht sagen. Ehrlich: hat Ihnen denn, ich meine, Ihnen privat, schon irgendeinmal jemand zugemutet, zu töten? Also ich meine: Wir Artilleristen haben es doch gerade in dieser Hinsicht besonders gut. Wir schießen doch meistens, ohne überhaupt zu sehen, wo es trifft und wen es trifft. Stimmts? Na also, dann kann es Ihnen auch schnuppe sein. Und im übrigen: Wer nicht selber tötet, wird eben getötet. Na, möchten Sie das etwa lieber?«
Da ist wieder die Frage. Das hat Reisiger tausendmal überlegt. Wer nicht tötet, wird getötet. Möchte ich das lieber? Nein. – Das ist die entsetzlichste Frage im Krieg: Möchtest du lieber, wenn ein Feind vor dir steht und sein Bajonett vor dir ist, daß er es dir in den Bauch rennt, oder lieber: Ihm auf den Schädel schlagen. Und leben.
»Verzeihen Herr Leutnant – ich weiß es nicht.«
Hinzusetzen möchte er: Vielleicht ist es besser, ich verzichte darauf, Offizier zu werden. Denn ich denke es mir bis zum Wahnsinn schrecklich, verantworten zu müssen, ob die hundert Menschen, die blindlings auf meinen Befehl gehorchen, töten oder getötet werden. Und nur darauf kommt es ja hinaus.
Da nimmt der Leutnant die beiden Zeitungsausschnitte, reißt sie langsam mitten durch und sagt, mit einem kleinen Lächeln: »Reisiger, Sie sind zwar verrückt, aber jetzt tun Sie mir den Gefallen und stürzen Sie sich nicht selber ins Unglück. Lassen Sie doch den Unsinn. Was müssen Sie dichten. Haben Sie zu leiden hier? Sie müssen mir zugeben, ich rede weiß Gott nicht dienstlich zu Ihnen. Weil ich genau weiß, daß Sie ein anständiger Soldat sind. Machen Sie sich keine Schwierigkeiten, und machen Sie mir keine Schwierigkeiten. Unter vier Augen kann ich Ihnen sagen, daß sämtliche Herren der Abteilung Ihre Wahl zum Leutnant befürwortet haben. Also wozu dieses Gefasele? Es kann ja auch sein, daß der Krieg schnell vorbei ist. Na also. Zu Hause können Sie dann dichten soviel Sie wollen – Und jetzt spreche ich dienstlich mit Ihnen: Ich wünsche, daß der Unsinn aufhört, haben Sie mich verstanden?«
(aus ›Heeresbericht‹)

Wer hätte nicht Sehnsucht nach einem eigenen Häuschen? Jetzt im Frühjahr ist die rechte Zeit, mit der Verwirklichung dieses Traumes zu beginnen. Der Berliner Lokal-Anzeiger gibt deshalb seinen Lesern mit dieser Plauderei, deren Veröffentlichung heute beginnt, einen kleinen Leitfaden in die Hand, der den Weg zum eigenen Heim schildert und dem Baulustigen Ratschläge gibt.
I
Jawohl, wir wollen ein Haus bauen! Es geht nicht nur um den einzelnen dabei, es geht um viel mehr. Hausbau heißt halt nicht nur eine Wohnung beschaffen für einen Menschen und seine Familie. Hausbau heißt Arbeit geben. Heißt Brot und Beschäftigung für viele, heißt Hilfe, heißt Auf-bau!
Aber nun mußt du schon verzeihen, wenn ich gleich eine dumme Frage an dich richte. Ich möchte nämlich wissen, warum du eigentlich baust.
»Na, warum baut man schon?« antwortest du unwillig.
»Eben, ja, das wollte ich wissen. Aber wenn du nicht willst – –«
Ich habe einen Freund. Kaduhn heißt er. Von dem darf ich dir nun vielleicht erzählen. Er ist Mitte der Dreißiger, hat Frau und Kinder. Wir kennen uns aus dem Krieg.
Bei ihm, bei Kaduhn, habe ich zum erstenmal festgestellt, daß es etwas wie einen Bautrieb im Menschen geben muß. Und je mehr ich diesen Trieb beobachtete, desto klarer wurde mir, daß er nicht schwächer ist als Hunger und Liebe.
Kaduhn zum Beispiel, im Felde, mußte immer ›bauen‹. Jedes Mittel war ihm recht dazu. Aus jedem Dreckloch machte er eine ›Heimat‹, einen ›Aufenthalt‹, eine ›Wohnung‹. Und es war eine ständige Redensart von ihm: »Mensch, wenn der Schlamassel hier mal zu Ende ist – nichts als zurück in die Heimat. Und dann wird was gebaut, aber prima, richtig wie ein Haus. Na ja, wenn der Mensch keine Bleibe hat, geht er kaputt.«
Der Schlamassel war nun also eines Tages zu Ende. Kaduhn kam mit mir aus dem Feld zurück; wir trennten uns.
Nach langen Jahren erhielt ich plötzlich ein Telegramm: ›wohne siedlung sonnental saubucht 73 erbitte besuch kaduhn.‹
Sonnental lag gute zwanzig Minuten von meinem Wohnort entfernt mitten im märkischen Sand. Ich ging hin. Da stand ein winziges Häuschen. Davor stand strahlend Kaduhn. Er überragte das Dach. Begrüßung. Besichtigung. Drinnen war alles noch winziger. Wohnküche und ein Zimmerchen – das war das Ganze. Aber Kaduhn zeigt das mit einem so souveränen Stolz, daß ich mich im Augenblick wie in einem Palast fühle, überstrahlt von Reichtum und Fülle. Sechs Kinderchen werden im Zimmer gerade ›zu Bett‹ gebracht. Zwei und zwei liegen, rührend geschichtet, in übereinander gebauten Holztragen.
Dann sitze ich mit Kaduhn und seiner Frau in der Küche. Wir trinken selbstgemachten Obstwein, und Kaduhn erzählt.
›Ich habe ja immer behauptet: Wenn der Mensch keine Bleibe hat, geht er kaputt‹, sagt er schließlich nach der Schilderung seiner Nöte und Irrfahrten.
Und nun sind wir endlich beim Thema.
Und was Kaduhn da so alles sagt – gar nicht so sehr überlegt, einfach hingeplaudert –, das hat meine Theorie vom Bautrieb wunderbar vervollkommnet. ›Ein eigenes Haus bauen‹, sagt er unter anderem, ›das ist ein ganz neuer Anfang. Vielleicht ist das überhaupt erst der Anfang. Weil nun das Wandern aufhört und weil man wachsen kann.‹
Man kann aus Häuserbauen keine Weltanschauung machen, sagen manche von euch. Außerdem gibt es heutzutage leider immer noch Millionen Menschen, die keinen roten Heller haben und vor denen von Besitz zu sprechen einfach herzlos ist.
Außerdem –
Ich weiß es ja, Freunde, ich weiß es. Kaduhn weiß es auch. Aber wo steht denn eigentlich das Gebot, in Notzeiten ausschließlich und hoffnungslos von Not reden zu müssen?
Einmal muß doch, einmal wird doch die Zeit kommen!
Wenn der Mensch keine Bleibe hat…
(aus ›Vier Mauern und ein Dach‹)

An die Hauptschriftleitung des Völkischen Beobachters
Im zweiten Beiblatt, 231. Ausgabe vom Donnerstag, 18. August 1932 befassen Sie sich unter dem Obertitel ›Streiflichter auf das Kulturleben an der Spree‹ und dem Untertitel ›Wird wirklich aufgeräumt im Rundfunk?‹ mit mir, dem literarischen Leiter, der Fkt. Berlin, den Sie allerdings Edlaff Köppen nennen, und schreiben: ›Köppen war überhaupt Jude und erwarb die Einbürgerung erst vor kürzerer Zeit.‹
Obwohl ich es nicht für mein Verdienst halte, Deutscher und Arier zu sein, wie ich es auch nicht für eine Schuld halte, Jude und Ausländer zu sein, ersuche ich Sie aufgrund von §11 des Pressegesetzes um folgende Berichtigung:
1.) Es ist unwahr, daß der Leiter der Literarischen Abteilung der Funk-Stunde Berlin, Edlef Köppen, ›überhaupt Jude war.‹ – Wahr ist vielmehr, daß Edlef Köppen väterlicherseits aus einer etwa 300 Jahre ansässigen altmärkischen Bauernfamilie stammt, mütterlicherseits aus einer Familie friesischer Kaufleute, die sich in ihrem Stammbaum bis etwa 400 Jahre zurück nachweisen läßt.
2.) Es ist unwahr, daß der Leiter der Literarischen Abteilung der Funk-Stunde Berlin, Edlef Köppen, ‹die Einbürgerung erst vor kürzerer Zeit erwarb.‹ Wahr ist vielmehr, daß er als Deutscher in Deutschland geboren ist, von deutschen Eltern abstammt, in den Jahren 1914-1918 in einem preußischen Artillerieregiment an der Front war und als Leutnant der Reserve und Inhaber des Eisernen Kreuzes 1. Klasse aus dem Heeresdienst entlassen wurde.
(Brief Köppens vom August 1932)


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